Skip to main content

Ist die 4-Tage-Woche unsere Zukunft?

  • Autor: Natalie Müller
  • Aktualisiert: 09.01.2024
  • Lesedauer: 9 Minuten
Titelbild: 4 Tage Woche

Mehr Freizeit und gutes Gehalt. Spätestens mit dem Eintritt der Gen Z wird Unternehmen bewusst, dass das klassische 9-5-Modell mit 5-Tage-Wochen für viele nicht mehr zeitgemäß ist. Arbeitnehmer wünschen sich mehr Flexibilität, um Beruf und Privatleben in Balance zu halten. Deshalb gibt es ein stetig steigendes Interesse an flexibleren Arbeitszeitmodellen und vor allem der 4-Tage Woche. Eine Arbeitswoche besteht damit aus 4 Arbeitstagen. Viele Pilotprojekte zeigen äußerst positive Effekte, doch es gibt auch Nachteile. Beides beleuchten wir in den nächsten Abschnitten genauer.

Wird es in Deutschland die 4-Tage-Woche geben?

Die 4-Tage-Woche ist aktuell in aller Munde. Die Partei Die Linke forderte schon 2020 eine Herabsetzung der Vollzeitnorm von 40 auf 30 Stunden. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach sich hingegen für eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 42 Stunden aus, um den Fachkräftemangel zu kompensieren.

Das Ministerium für Arbeit und Soziales hält sich bei den Diskussionen noch zurück. Es betont, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitszeit gemeinsam frei festlegen können, sofern das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird. Dieses besagt, dass die tägliche Arbeitszeit bis zu 10 Stunden betragen darf. Die maximale Wochenarbeitszeit liegt bei 48 Stunden – mit Ausnahmen für bestimmte Branchen und Arbeitnehmer.

Wenn es nach der Meinung vieler Arbeitnehmer geht, ist die Einführung der 4-Tage-Woche längst überfällig. In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung geben ca. 81 % der Vollzeiterwerbstätigen an, sich eine kürzere Arbeitswoche zu wünschen – mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit. 73 % möchten diese Veränderung nur, wenn der Lohn gleichbleibt. 8 % würden auch mit einer Lohneinbuße weniger arbeiten wollen. 17 % lehnen die 4-Tage-Woche ab.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie der HDI: Über 76 % der Berufstätigen begrüßen die Einführung der 4-Tage-Woche in Deutschland. Am liebsten hätten sie dabei den Freitag frei.

Studie der HDI: Die meisten Berufstätigen befürworten die 4-Tage-Woche.

Auch Arbeitgeber stehen zumindest dem Versuch einer 4-Tage-Woche eher positiv gegenüber. 46 % halten die kurze Arbeitswoche machbar.

Die IG Metall, Deutschlands größte Einzelgewerkschaft, wird in der kommenden Tarifrunde im November eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich für alle Arbeitnehmer in der Stahlbranche fordern.

Bis jetzt ist die 4-Tage-Woche in Deutschland nicht geplant. Doch die Forderung der IG Metall könnte der erste Schritt zu einer deutschlandweiten Einführung sein.

Wo gibt es die 4-Tage-Woche bereits?

Island führte bereits 2015 ein Pilotprojekt ein. Heute arbeiten ca. 90 % mit reduzierter Arbeitszeit oder anderen flexiblen Modellen.

Großbritannien wagte das Pilotprojekt 4-Tage-Woche mit der stillen Regel: 100 % Lohn für 80 % der Zeit und 100 % Produktivität. 56 der 61 ursprünglich teilnehmenden Unternehmen führen die 4-Tage-Woche nun fest ein.

Schweden testete die 4-Tage-Woche 2015 mit einem vollen Lohnausgleich. Die Ergebnisse waren durchwachsen – die verkürzte Arbeitswoche konnte sich nicht landesweit durchsetzen.

In Belgien können Arbeitnehmer ihre gewöhnliche wöchentliche Arbeitszeit auf 4 Tage aufteilen. Wer weiterhin „nur“ 8 Stunden täglich arbeiten möchte, kann trotzdem einen zusätzlichen freien Tag genießen – jedoch mit Gehaltsabzug.

In Österreich beendete Lidl nach 6 Monaten das Pilotprojekt, weil es kaum angenommen wurde. Die Mitarbeiter sollten ihre reguläre Wochenarbeitszeit auf 4 Tage aufteilen – und damit täglich länger arbeiten für einen Tag mehr frei.

Über 4 Monate hieß es für die Mitarbeiter des Motorradherstellers KTM längere Arbeitstage, dafür einen zusätzlichen Tag frei. Das führte zu einer Mehrbelastung, sodass das Experiment beendet wurde.

An diesen vielfältigen Beispielen lässt sich eines deutlich herausstellen: Ob und wie gut die Einführung der 4-Tage-Woche gelingt, hängt vom gewählten Modell ab. Ein Tag mehr frei, normale 8-Stunden-Arbeitstage und voller Lohnausgleich scheint die besten Ergebnisse zu bringen.

Wie wirkt sich die 4-Tage-Woche auf die Wirtschaft aus?

Einige Unternehmen und Experten befürchten, dass die kurze Arbeitswoche dem Wirtschaftswachstum ein Stoppschild aufstellt.

Eine reduzierte Vollzeitnorm könnte viele Teilzeitarbeiter davon begeistern, wieder Vollzeit zu arbeiten. Das stärke die Wirtschaft. Teilweise befürchten Unternehmen einen Umsatzrückgang, da nur noch an 4 Tagen produziert und Dienstleistungen erbracht werden. Jedoch zeichnet sich am britischen Vorbild eines deutlich ab: Mit einer 4-Tage-Woche steigt die Produktivität, sodass der Output gleich hoch oder sogar teilweise höher als bei einer 5-Tage-Woche ist.

Wie sehr die Wirtschaft fluoriert oder stagniert hängt stark von der individuellen Umsetzung und vor allem der Branche ab.

Welche Vor- und Nachteile hat die 4-Tage-Woche?

4-Tage-Woche Vorteile

  • Mitarbeiter sind ausgeglichener, gesünder und produktiver
  • Arbeitnehmer haben mehr Zeit für sich selbst, Familie, Hobbys und Ehrenamt
  • Viele Berufe und Branchen werden für Menschen interessanter
  • Weniger Fehltage und Krankheitsausfälle
  • Höhere Zufriedenheit im Unternehmen
  • Steigert die Attraktivität der Arbeitgeber
  • Verringert Fluktuation und stärkt die Bindung der Mitarbeiter
  • Starkes Alleinstellungsmerkmal für Unternehmen, die sie anbieten
  • Mitarbeiter können besser entspannen und zur Ruhe kommen

4-Tage-Woche Nachteile – Die Nachteile hängen stark vom gewählten Modell ab, wir stellen hier eine generelle Übersicht dar

  • Kinderbetreuung und die Pflege Angehöriger wird für Arbeitnehmer schwieriger zu planen, wenn die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden ansteigt
  • Höheres Unfallrisiko bei längeren Arbeitstagen
  • Produktivität sinkt bei längeren Arbeitstagen, während der Stress zunimmt
  • Weniger Gehalt bedeutet niedrigere Rente
  • 4-Tage-Woche mit Lohnausgleich belastet Unternehmen finanziell
  • Eventuelle Zunahme des Fachkräftemangels
  • In vielen Branchen nur mit strukturellen Anpassungen umsetzbar
  • Kürzere tägliche Erholungszeit bei 10-Stunden-Tagen

Wie kann sich die 4-Tage-Woche auf und in Unternehmen auswirken?

Auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter wirkt sich eine kürzere Arbeitswoche positiv aus. Das zeigt die Studie und das dazugehörige Pilotprojekt in Großbritannien.

Unternehmen bekommen damit die Möglichkeit, nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Bindung zu stärken – und sogleich die Fluktuation zu verringern. Gleichzeitig steigt die Attraktivität des Unternehmens. Vor allem jüngere Arbeitnehmer wünschen sich mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Unternehmen mit einer 4-Tage-Woche haben deutlich höhere Chancen auf mehr Bewerbungen.

Auch auf das Team selbst hat eine verkürzte Arbeitszeit positive Auswirkungen: Mitarbeiter arbeiten motivierter und ausgeglichener. Das fördert den Teamzusammenhalt und damit die Unternehmenskultur.

In der Kritik steht, dass eine 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich finanzielle Belastungen für das Unternehmen bereithält. In Großbritannien zeigt sich eine erhöhte beziehungsweise gleichbleibende Produktivität der Mitarbeiter, sodass diese finanzielle Belastung ausgeglichen werden kann. Zudem spart das Unternehmen finanzielle Ressourcen durch weniger Fluktuation und Krankheitstage.

Wichtig für die positiven Effekte ist das gewählte Modell. Arbeitnehmer, die 40 Stunden in 4 Tagen ableisten, berichten häufiger von negativen Auswirkungen wie mehr Stress und Überstunden. Die Vorteile überwiegen, wenn mit weniger Arbeitstagen auch die wöchentliche Arbeitszeit sinkt – bei vollem Gehalt.

Ist die 4-Tage-Woche in Deutschland realistisch?

Die bundesweite Einführung ist noch nicht geplant. Doch aufgrund der positiven Berichte ist es wahrscheinlich, dass immer mehr Unternehmen dieses Arbeitszeitmodell anbieten. Auch wenn es dafür in vielen Branchen strukturelle Veränderungen braucht – vor allem in Branchen mit Schichtdienst und in Dienstleistungsunternehmen. Es ist eine gute Möglichkeit für Unternehmen, mehr Fachkräfte zu gewinnen und offene Stellen schneller zu besetzen. Die Einführung ist also realistisch und schon jetzt gesetzlich möglich.

Wie viel Urlaub habe ich bei einer 4-Tage-Woche?

Als Arbeitnehmer hast Du einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub – das sieht das Bundesurlaubsgesetz vor.

Pro Jahr hast du Anspruch auf mindestens 4 volle Wochen. Bei einer 5-Tage-Woche erreichst du das mit 20 Urlaubstagen. Mit einer 4-Tage-Woche erreichst Du diese 4 Wochen Urlaub schon mit 16 Urlaubstagen – denn für eine Woche Urlaub brauchst Du „nur“ 4 Urlaubstage, weil 1 Tag in der Woche ohnehin frei ist. Das bedeutet: Mit einer 4-Tage-Woche hast Du genauso viel Urlaub wie mit einer 5- oder 6-Tage-Woche.

Tarifverträge bieten vielen Arbeitnehmer mehr Urlaubstage. Im öffentlichen Dienst bekommst Du beispielsweise mit einer 5-Tage-Woche 30 Urlaubstage – also 5 Wochen Urlaub pro Jahr. Diese 5 Wochen bekommst Du auch bei einer 4-Tage-Woche, mit entsprechend 24 Urlaubstagen. Also auch mit Tarifverträgen hast Du mit einer kurzen Arbeitswoche denselben Urlaubsanspruch wie vorher mit einer 5-Tage-Woche.

Wie viele Stunden hat eine 4-Tage-Woche?

Bei der Wochenarbeitszeit gibt es im Grunde genommen 2 Modelle:

Modell 1: Die Wochenarbeitszeit liegt weiterhin bei 40 Stunden, nur werden diese auf 4 Tage aufgeteilt. Das bedeutet: 10 Stunden tägliche Arbeit anstelle von 8.

Modell 2: Die Wochenarbeitszeit reduziert sich auf 32 Stunden – manche Unternehmen zahlen den vollen Lohn weiter, manche reduzieren den Lohn auf die entsprechend verkürzte Arbeitszeit.

Grafik: Beispiele für 4-Tage-Woche

Quelle: ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

Die Erfahrung aus Pilotprojekten zeigt, dass eine 40-Stunden-Woche auf 4 Tage aufgeteilt die meisten Nachteile mit sich bringt. Der längere Arbeitstag führt in einigen Branchen zu einem höheren Unfallrisiko. Gleichzeitig fühlen sich viele Arbeitnehmer gestresster und weniger produktiv. Eltern und pflegende Angehörige stehen vor der Herausforderung, die Kinder- oder Krankenbetreuung zu organisieren – das ist oft schon bei einem 8-Stunden-Tag eine Herausforderung.

Die meisten Befürworter der 4-Tage-Woche sprechen sich deshalb für eine 32-Stunden-Woche mit 4 Arbeitstagen aus. Sie bietet alle Vorteile der kurzen Arbeitswoche und sorgt bei Arbeitnehmer für mehr Zufriedenheit und Entspannung.

Viele Unternehmen geben standardmäßig den Freitag frei für ein langes Wochenende. Es ist oft auch eine flexible Absprache möglich, wenn Du beispielsweise lieber den Montag frei hättest oder jede Woche neu entscheiden möchtest.

Fazit – ist die 4-Tage-Woche das Arbeitsmodell der Zukunft?

Die 4-Tage-Woche bietet viele Vorteile, sowohl für Arbeitnehmer als auch für die Unternehmen. Sie hat das Potential, die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen. Dadurch steigt die Attraktivität des Unternehmens und in der Folge erhalten sie mehr Bewerbungen – was den Fachkräftemangel eindämmt. Diese Vorteile zeigen sich vor allem, wenn mit der kürzeren Arbeitswoche die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden reduziert wird.
Die Herausforderung besteht darin, Schichtbetrieben und Dienstleistungsunternehmen strukturell zu verändern. Denn selbst am eigentlich freien Freitag müssen Patienten und Kunden betreut werden.

Auch wenn die 4-Tage-Woche vielleicht nicht gesetzlich vorgeschrieben wird: Die zunehmende Diskussion darum zeigt, dass der Ruf nach flexibleren und individuelleren Arbeitszeitmodellen lauter wird. Zum einen, um die Work-Life-Balance der Mitarbeiter zu fördern aber auch, um in Zukunft die Attraktivität der Arbeitgeber zu steigern.