Ganztags arbeiten und dennoch unterhalb der Armutsgrenze leben? Seit 2015 ist das in Deutschland für nahezu alle Arbeitnehmer:innen nicht mehr möglich. Denn seit Anfang 2015 gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn. Das bedeutet: Grundsätzlich erhalten alle volljährigen Arbeitnehmer:innen einen Mindeststundenlohn. Seit Einführung stieg er auf Vorschlag der Mindestlohnkommission durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung bis jetzt 9-Mal. Der Mindestlohn 2024 beträgt 12,41 Euro brutto pro Stunde und wird in den folgenden Jahren weiter steigen. Als volljährige:r Vollzeitangestellte:r mit einer 40-Stunden-Woche erhältst Du mindestens 2150 Euro brutto monatlich.
Wie hoch ist der Mindestlohn 2024?
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland beträgt 2024 12,41 Euro brutto pro Zeitstunde. Er gilt seit Anfang des Jahres. Vor dieser Erhöhung lag der Mindestlohn bei 12 Euro und Anfang 2022 bei nur 9,82 Euro.
Rund 5,8 Millionen Jobs waren von der Erhöhung im Oktober 2022 auf 12 Euro betroffen.
Neben dem gesetzlichen Mindestlohn, der für beinahe alle Arbeitnehmer deutschlandweit gilt, gibt es branchenspezifische Mindestlöhne:
- Pflegebranche – seit 1.12.2023 gelten für Pflegehilfskräfte 14,15 Euro Mindestlohn. Pflegehilfskräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung erhalten 15,25 Euro pro Stunde. Bei Pflegefachkräften liegt der Mindestlohn bei 18,25 Euro. Bis 2025 sollen die Pflegemindestlöhne insgesamt um bis zu 14 Prozent steigen.
- Zeitarbeit – für Arbeitnehmer:innen in der Zeitarbeit gilt 2024 ein Mindestlohn in Höhe von 13,50 Euro pro Stunde.
- Pädagogik – pädagogisches Personal erhält mindestens 18,58 Euro Stundenlohn und qualifiziertes pädagogisches Personal mindestens 19,15 Euro.
- Dachdeckerhandwerk – ungelernte Arbeitnehmer:innen erhalten einen Mindestlohn von 13,90 Euro und gelernte Arbeitnehmer und Dachdecker-Gesellen 15,60 Euro.
- Elektrohandwerk – in dieser Branche liegt der Mindestlohn bei 13,95 Euro pro Stunde.
- Fleischwirtschaft – Arbeitnehmer:innen in dieser Branche erhalten mindestens 12,30 Euro pro Stunde.
- Maler- und Lackiererhandwerk – ungelernte Arbeitnehmer:innen erhalten mindestens 13 Euro und gelernte Arbeitnehmer oder Gesellen 14,50 Euro pro Stunde.
- Gerüstbauerhandwerk – hier liegt der Mindestlohn bei 13,60 Euro pro Stunde. Zum 01. Oktober erhöht er sich auf 13,95 Euro die Stunde.
- Schornsteinfegerhandwerk – der Mindestlohn beträgt seit 2024 14,50 Euro pro Stunde.
- Sicherheitsgewerbe an Verkehrsflughäfen – Arbeitnehmer:innen, die qualifizierte Servicetätigkeiten und Fluggastdienste (EG IV) übernehmen, erhalten 14,46 Euro Stundenlohn. Arbeitnehmer in der Bordkarten- und Dokumentenkontrolle sowie Flugzeugbewachung (EG III) 16,95-17,84 Euro – je nach Bundesland und im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen (EG II) 18,89-19,49 Euro je nach Bundesland.
- Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk – hier liegt der gesetzliche Mindeststundenlohn bei 13,35 Euro.
- Gebäudereinigung – für Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten erhalten Arbeitnehmer:innen 13,50 Euro und für Glas- und Fassadenreinigungsarbeiten 16,70 Euro Mindestlohn.
Entwicklung des Mindestlohns in Deutschland
Mitte der 1990er Jahre kam es in Deutschland zu einer starken Zunahme von Niedriglöhnen. Das hatte zur Folge, dass viele Arbeitnehmer:innen trotz Vollzeitbeschäftigung ihr Gehalt mit Arbeitslosengeld 2 aufstocken mussten, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. 2012 arbeiteten über 2,5 Millionen Beschäftigte für unter 6 Euro brutto pro Stunde.
Die Diskussion um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zog sich lange hin. Viele Ökonomen warnten vor einem Arbeitsplatzverlust für viele Arbeitnehmer und dadurch eine hohe Arbeitslosigkeit. Auch Preiserhöhungen wurden gefürchtet. Zahlreiche Gewerkschaften waren der Annahme, dass der Mindestlohn das Niedriglohnproblem nicht löse, sondern nur die Tarifautonomie schwäche.
Andererseits gab es auch Stimmen, den Mindestlohn deutlich höher anzusetzen, um ein höheres Rentenniveau zu schaffen. Die Rente später aufstocken zu müssen, soll mit höheren Gehältern verhindert werden. Gleichzeitig steige mit höherem Einkommen die Kaufkraft, was die Wirtschaft zusätzlich stärkt.
Dazu kamen zahlreiche politische Diskussionen über eventuelle Ausnahmeregelungen. Die damalige Opposition kritisierte, dass Praktikant:innen, Langzeitarbeitslose, Zeitungszusteller:innen, Minderjährige, Saisonarbeiter:innen und Beschäftigte in Branchen mit Akkord- und Stücklöhnen keinen Mindestlohn erhalten sollen.
Schlussendlich beschloss die Bundesregierung Anfang Juli 2014 die Einführung des Mindestlohns zum 1.1.2015 und definierte Ausnahmen für den Mindestlohn:
Für Tarifverträge mit einem niedrigeren Brutto-Stundenlohn galt eine Übergangsphase: Die Verträge behielten bis Ende 2016 ihre Gültigkeit, sodass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn erst ab Januar 2017 für betroffene Beschäftigte in Kraft trat. Auch für Zeitungsausträger:innen gab es eine Übergangslösung: Sie bekamen 2015 75 % des Mindestlohns, 2016 85 % und seit 2017 den vollen Mindestlohn.
Akkord- und Stücklöhne sind nur dann zulässig, wenn der heruntergebrochene Stundenlohn mindestens das Niveau des Mindestlohns erreicht. Dabei muss das zu erreichende Stückziel (Leistung) so angesetzt werden, dass Arbeitnehmer:innen dieses bei durchschnittlicher Leistung erreichen können.
2014 wurde gesetzlich geregelt, dass der Mindestlohn alle 2 Jahre von der Mindestlohnkommission überprüft werden und sie der Bundesregierung einen neuen Vorschlag unterbreiten soll.
Die Mindestlohnkommission besteht aus einem:r Vorgesetzten, 6 weiteren stimmberechtigten ständigen Mitgliedern und 2 beratenden, nicht stimmberechtigten Mitgliedern. Sie wird alle 5 Jahre neu berufen.
In dieser Tabelle zum Mindestlohn in Deutschland siehst Du die Anpassungen, die bis heute (2024) gemacht wurden und bereits geplant sind:
Quelle: Statistisches Bundesamt. (2023). Verdienste: Mindestlohn. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Mindestloehne/_inhalt.html
Aktuell liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,41 Euro brutto pro Zeitstunde. 2025 steigt er auf 12,82 Euro.
Mindestlohn: Vergleich mit anderen Ländern
In Europa ist der Mindestlohn weit verbreitet. In dieser Grafik findest du eine Übersicht:
Quelle: WSI. (2022). Mindestlöhne im Überblick. https://www.wsi.de/de/interaktive-karte-19509.htm
Im weltweiten Vergleich haben Arbeitnehmer in Luxemburg und Australien die höchsten Mindestlöhne. Deutschland hinkt vor allem im Vergleich zu den westlichen Nachbarländern hinterher. Das liegt vor allem an der späten Einführung.
Experten zufolge sollte der Mindestlohn über 60 % des Medianverdienstes des Landes liegen. Darunter seien Arbeitnehmer armutsgefährdet. Der Mindestlohn in Deutschland liegt derzeit bei ca. 53 % – also deutlich darunter. Auf EU-Ebene wird darüber diskutiert, Mindestlöhne auf mindestens 60 % des jeweiligen Medianverdienstes anzuheben.
Weltweites Schlusslicht ist Nigeria mit (umgerechnet) 67 Euro pro Monat.
Quelle: Picodi. (2023). Mindestlohn weltweit: Wie hat sich die Rekordinflation auf die Geringstverdiener ausgewirkt? Abgerufen am 17. Juli 2023, von https://www.picodi.com/de/schnaeppchenjagd/mindestlohn-2023
Welche Ausnahmen hat der Mindestlohn?
Nicht alle Arbeitnehmer in Deutschland erhalten den Mindestlohn. Diese Ausnahmen gibt es:
- Minderjährige Beschäftigte
- Beschäftigte in der Berufsausbildung
- Personen, die ehrenamtlich tätig sind
- Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten
- Personen, die an der Arbeitsförderung teilnehmen
- Selbstständige
- Langzeitarbeitslose (jedoch nur in den ersten 6 Monaten in der neuen Beschäftigung)
- Menschen mit Behinderung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten
- Inhaftierte, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen
Als langzeitarbeitslos gilt, wer mindestens 1 Jahr lang arbeitslos ist.
Für Praktikanten gibt es spezielle Regelungen. Unter diesen Voraussetzungen erhalten sie den Mindestlohn:
- Sie sind über 18 Jahre alt.
- Das Praktikum dauert mindestens 3 Monate.
- Es muss ein freiwilliges Praktikum sein – von der Schule, Hochschule oder Ausbildungseinrichtung vorgeschriebenes Pflichtpraktika werden nicht nach Mindestlohn vergütet.
Gilt der Mindestlohn auch für einen Minijob?
Ja, der gesetzliche Mindestlohn gilt auch für Arbeitnehmer, die einem Minijob nachgehen. Durch den erhöhten Mindestlohn zum 1.10.2022 wurde die monatliche Einkommensgrenze für Minijobs von 450 Euro auf 520 Euro angehoben. Das ermöglicht weiterhin eine monatliche Arbeitszeit von über 40 Stunden.
Welche Vor- und Nachteile hat der Mindestlohn?
Der Mindestlohn in Deutschland ist mit vielen Vorteilen verknüpft:
- Seit der Einführung 2015 konnte der Staat entlastet werden, weil weniger Arbeitnehmer ihr Gehalt durch Arbeitslosengeld oder anderen staatlichen Leistungen aufstocken müssen.
- Arbeit lohnt sich. Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet, kann dank des Mindestlohngesetzes (MiLoG) den Lebensunterhalt bestreiten. Das erhöht die soziale Gerechtigkeit.
- Lohndumping ist seit der Einführung nicht mehr möglich, denn auch ausländische Arbeitnehmer müssen danach vergütet werden.
- Da Arbeitnehmer wissen, dass sich ihre Arbeit finanziell lohnt, arbeiten sie motivierter als vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns.
- Die Wirtschaft profitiert vom Mindestlohn. Er stärkt die Kaufkraft der Arbeitnehmer, die dadurch mehr konsumieren und die Binnennachfrage anheben. Dadurch steigen nicht nur die Steuereinnahmen für den Staat, sondern auch die Umsätze der Unternehmen.
- Da alle Unternehmen den gesetzlichen Mindestlohn zahlen müssen, entsteht ein fairer Wettbewerb innerhalb der Branchen – Lohndumping führte vor 2015 oft zu unfairen Wettbewerbsvorteilen.
- Arbeitnehmer haben vor Antritt einer neuen Stelle Klarheit über ihren Mindestverdienst.
Doch so positiv der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auch ist: Es gibt auch Nachteile:
- Gerade junge Arbeitnehmer verzichten häufiger auf eine Berufsausbildung, weil ihnen auch ohne Ausbildung ab 18 Jahren der Mindestlohn zusteht. Dadurch verschärft sich der Fachkräftemangel in Deutschland.
- Je höher der Mindestlohn ist, desto höher werden die Preise für Dienstleistungen und in Deutschland hergestellte Produkte. Unternehmen müssen die Mehrkosten für ihr Personal erwirtschaften – oft zulasten der Kunden.
- Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) kontrolliert, ob Arbeitgeber den Mindestlohn tatsächlich bezahlen. Das erhöht den bürokratischen Aufwand für Unternehmen.
- Manche Unternehmen können sich den höheren Mindestlohn von über 12 Euro pro Stunde schlichtweg nicht mehr leisten und bauen Stellen ab oder beschäftigen weniger Vollzeit- dafür mehr Teilzeitmitarbeitende.
- Durch höhere Personalausgaben investieren Unternehmen weniger. Das hat negativen Einfluss auf die Wirtschaft.
- Gewerkschaften verlieren durch den Mindestlohn an Bedeutung, da er die Tarifautonomie einschränkt. Tarifverträge und branchenweite Mindestlöhne könnten dem vorbeugen.
Fazit – Mindestlohn 2024 stärkt soziale Gerechtigkeit
Vom Mindestlohn profitieren seit Einführung zum 1.1.2015 viele Millionen Beschäftigte, die sonst trotz 40-Stunden-Woche unter dem Existenzminimum lägen. Er dient dazu, Arbeitnehmer zu schützen und einen fairen Wettbewerb in der Wirtschaft zu ermöglichen. Der Mindestlohn gilt mit wenigen Ausnahmen für alle Beschäftigten in Deutschland und darf nicht durch Tarifverträge unterschritten werden. Unterschreitet ein Unternehmen den Mindestlohn, handelt es ordnungswidrig und muss Bußgeld bezahlen.
Festgelegt wird der Mindestlohn im Mindestlohngesetz durch Vorschlag der Mindestlohnkommission und einer Rechtsverordnung der Bundesregierung. Aktuell liegt der Mindestlohn bei 12,41 Euro. Die nächste Erhöhung auf 12,82 Euro pro Zeitstunde findet zum 01.01.2025 statt.